Die Geschichte des Landkreises
Die Landkreise nehmen von Anbeginn ihrer Geschichte eine bedeutsame Rolle innerhalb des Staatswesens ein. Zugleich ist ihre Geschichte eng mit jener des Landes Württemberg verbunden. Könnten wir die Vorgänger der heutigen Landräte – die Vögte und Oberamtmänner – bis ins späte Mittelalter hinein über ihre weit gespannten Aufgaben befragen, so erschlösse sich uns ein eindrucksvolles Panorama der jeweiligen Zeit. Die Landkreise bildeten die Nahtstelle zwischen dem württembergischen Herrscherhaus und den Gemeinden bzw. Untertanen.
Die Anfänge der Landkreise gehen bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhundert zurück. 1441/42 findet man die Grafschaft in 38 Ämter eingeteilt. Zu einem Amt gehörte in der Regel eine Stadt und eine Anzahl von umliegenden Dörfern. An der Spitze stehen Vögte -, zunächst noch adliger Herkunft, sehr bald aber überwiegen Vögte aus der bürgerlichen Ehrbarkeit. Der Vogt ist Bezirksbeamter und Stadtvorsteher der Amtsstadt zugleich.
Die Vögte vereinigten sämtliche herrschaftlichen Befugnisse für den Bezirk in ihrer Hand: Sie sind militärische Befehlshaber und Gerichtsvorsitzende in einem, sie handhaben die Polizeigewalt und nehmen die Aufgabe eines Finanzbeamten wahr, der die herrschaftlichen Natural- und Geldabgaben bei den Amtsuntertanen einzieht.
Diese altwürttembergischen Ämter nehmen schon sehr früh gemeinschaftliche Aufgaben der Selbstverwaltung wahr – so etwa den Bau von Wehranlagen oder die Organisation von militärischen Wachdiensten. Die Finanzierung erfolgte über den Amtsschaden, der auf die einzelnen Amtsorte umgelegt wurde -, ein Vorläufer der heutigen Kreisumlage.
Soweit das Amt herrschaftlicher Verwaltungsdistrikt war, heiß es Vogtei oder Amt – später Oberamt (1759) -, soweit es genossenschaftlicher Verband war, bürgerte sich dafür die Bezeichnung „Stadt und Amt“ – später Amtskorporation – ein. Diese Doppelnatur hat in ihren Grundsätzen bis heute Bestand.
Die Gesamtheit der „Städte und Ämter“ nimmt als „Landschaft“ ein politisches Mandat im württembergischen Landtag wahr und wirkt auf diese Weise aktiv an der Landespolitik mit.
Der heutige Kreis Böblingen geht auf die Ämter Herrenberg, Leonberg, Sindelfingen und Böblingen zurück, die alle ihren Ursprung im ausgehenden Mittelalter haben. Mit der napoleonischen Umgestaltung der politischen Landkarte finden Anfang des 19. Jahrhunderts weitreichende Gebietsreformen statt: Das Amt Sindelfingen wird mit Böblingen zusammengelegt, die Freie Reichsstadt Weil der Stadt bildet kurzfristig ein eigenes Oberamt, das dann aber 1807 in das Oberamt Leonberg eingegliedert wird.
Mit dieser territorialen Neuordnung geht auch eine funktionale Reform der Verwaltung nach französischem Vorbild einher: Der Oberamtmann verliert die Finanzgeschäfte an die Kameralämter (1806), das Richteramt an die Oberamtsgericht (1818) sowie die Position des Stadtvorstehers (1818) an einen Schultheißen.
Die zu einem Oberamtsbezirk vereinigten Gemeinden bilden wie bisher eine geschlossene Körperschaft des öffentlichen Rechts. Als Vertreter der Amtskörperschaft wird die Amtsversammlung (vergleichbar mit dem Kreistag) bestimmt. Sie besteht unter dem Vorsitz des Oberamtmannes aus zwanzig bis dreißig Abgeordneten der Oberamtsstadt und der übrigen Amtsorte. Unter den Vertretern (Amtsdeputierten) jeder Gemeinde ist stets der Ortsvorsteher.
Im Bereich der Selbstverwaltung treten im 19. Jahrhundert wichtige neue Aufgaben hinzu: der Bau und Unterhalt von Krankenhäusern und die Gründung von Oberamtssparkassen.
Das 20. Jahrhundert ist von tiefgreifenden Gebietsreformen im Jahre 1938 und 1973 geprägt: dabei entstehen zuletzt 35 neue Landkreise von einer Größe, die in Südwestdeutschland bisher unbekannt waren.
1938 findet zudem die Umbenennung der Oberämter in Landkreise statt. 1938 wird das Oberamt Herrenberg, 1973 der größte Teil des Kreises Leonberg in den Kreis Böblingen eingegliedert. Der Kreis Böblingen erlangt damit seine heutige Gestalt mit 618 km2 Fläche und 26 Städten und Gemeinden.
Seit dem Ende des Dritten Reiches haben die Landkreise Wandlungen durchlebt, die in der Vergangenheit ihresgleichen suchen. So kam ihnen in der unmittelbaren Nachkriegszeit eine tragende Rolle im Wiederaufbau zu -, sowohl was das alltägliche Leben als auch die politische Neuorganisation angeht.
In Folge der Verwaltungs- und Gebietsreform des Jahres 1973 wachsen den Kreisen neue Aufgaben zu und vorhandene Aufgabenfelder werden wesentlich ausgeweitet: So etwa auf dem Gebiet des Berufsschul- und Sonderschulwesens, des Sozialbereichs, des Gesundheitswesens, der Jugendhilfe-, der Familien- und Altenhilfe sowie des Straßen- und Verkehrswesens (ÖPNV), des Umwelt- und Naturschutzes sowie der Abfallwirtschaft.
Als herausragende Aktivitäten seien der Bau von modernen Kreiskrankenhäusern und Berufsschulzentren sowie die Initiierung von Regionalbahnen genannt. Gerade die Hightech-Industrie des Kreises Böblingen stellt besondere Anforderungen an das Berufsschulwesen, das eine der Grundlagen für die Spitzenstellung des Wirtschaftsstandorts ausmacht.
Das 21. Jahrhundert steht unter dem Zeichen der Eingliederung von 350 Sonderbehörden des Landes in die Landratsämter. Mit dieser Verwaltungsreform des Jahres 2005 vergrößert sich die Beschäftigtenzahl des Landratsamtes Böblingen um 370 auf rund 1200.
Mit den neu hinzugekommenen Aufgabenfeldern der Gewerbeaufsicht, der Forst- und Landwirtschaftsverwaltung, der Flurneuordnung und Gewässerdirektion, der Schulämter [1], des Versorgungsamtes u.a. formiert sich das Landratsamt zu einem Dienstleistungszentrum, das in der Geschichte seinesgleichen sucht und eine bürgernahe und zugleich fortschrittliche Verwaltung zum Ziel hat.
[1] Die Schulämter sind inzwischen wieder ausgegliedert worden.
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