Neubau eines Frauen- und Kinderschutzhauses im Landkreis Böblingen
Landkreis zieht Förderanfrage an den Bund zurück und setzt auf Landesförderung
Landrat: Wir halten am Vorhaben fest und wollen die Versorgungslücke mit Hilfe des Landes schließen
Kreis Böblingen: Nach zweieinhalb Jahren der Hoffnung auf Fördermittel aus dem Bundesinvestitionsprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ zieht der Landkreis Böblingen seine Förderanfrage an den Bund zurück. „Wir sehen faktisch keine Chance mehr auf eine hohe Förderquote, die die Gesamtfinanzierung gesichert hätte“, sagt Landrat Roland Bernhard. Das Förderprogramm laufe im Dezember 2024 aus und bis dahin lasse sich der Neubau des Frauen- und Kinderschutzhauses nicht verwirklichen. Das hätte anders ausgesehen, wenn die Bundesentscheidung zur Förderung zeitnah erfolgt wäre. Kostenmäßig ins Gewicht fallen jetzt die Bauarbeiten, die 2025 und 2026 anstehen. Sie liegen außerhalb der Programmlaufzeit, so dass Fördergelder des Bundes nur für Ausgaben hätten bewilligt werden können, die bis zum Programmende kassenwirksam werden. „In unserem Fall wären es Planungskosten gewesen. Der Kreistag aber hatte die Grundsatzentscheidung für den Neubau des Frauen- und Kinderschutzhauses mit einer anderen Fördererwartung getroffen“, betont der Landrat.
Bereits im Mai 2021 hatte der Landkreis Böblingen sein Interesse an einer Bundesförderung bekundet und die dafür notwendigen Unterlagen bei der Bundesservicestelle „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ eingereicht. Sie betreut im Auftrag des Bundesfamilienministeriums das Programm administrativ. Das Land Baden-Württemberg unterstützt das Vorhaben und erteilte zeitnah die „befürwortende Stellungnahme“,
die der Bund für eine Bewilligung braucht.
Der Eigenbetrieb Gebäudemanagement des Landkreises Böblingen trieb die Planungen soweit voran, wie es die Förderrichtlinie des Bundes im Vorverfahren zulässt. Seit Juni 2023 liegt die Baugenehmigung vor. Die fortgeschriebenen Gesamtkosten für den Neubau belaufen sich auf rd. 6 Millionen Euro. Bis Mitte 2026 könnte nach derzeitigem Stand das Frauenhaus fertiggestellt sein.
Gebaut werden soll ein barrierefreies Frauen- und Kinderschutzhaus auf einem städtischen Grundstück in Herrenberg. Konzipiert sind 16 flexibel nutzbare Wohneinheiten, in denen, je nach Kinderzahl der unterzubringenden Frauen, zwischen 16 und 25 Personen einen sicheren Schutzraum finden sollen. Den Betrieb des Frauenhauses wird die Waldhaus Jugendhilfe gGmbH übernehmen. Sie kooperiert mit dem Verein „Frauen helfen Frauen Kreis Böblingen“, der 30 Jahre lang ein autonomes Frauenhaus in Sindelfingen betrieben hatte. Ende September 2011 stellte der Trägerverein den Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen ein. Seither gibt es im Kreis kein Frauenhaus mehr.
Der Kreis werde sich an der Finanzierung des Neubaus beteiligen, aber ohne Fördermittel lasse sich das Investitionsvorhaben nicht stemmen, gibt der Landrat das Stimmungsbild aus den Haushaltsberatungen wieder. Es sei kreispolitischer Wille und gemeinsames Ziel, wieder ein Frauenhaus zu haben, um von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern im Landkreis Schutz zu bieten. Kreistag und Kreisverwaltung stehen weiterhin zum Neubauprojekt. Er danke der Waldhaus Jugendhilfe gGmbH, dass sie als Betriebsträger nach wie vor zur Verfügung stehe und der Stadt Herrenberg für das Vorhalten des Grundstücks. Dank gelte auch den Abgeordneten, die sich auf Bundes- und Landesebene für die Förderung des Böblinger Vorhabens eingesetzt hatten und die Verwirklichung des Projekts weiterhin unterstützen.
Nachdem sich das Bundesinvestitionsprogramm trotz aller Bemühungen für den Landkreis Böblingen nicht als zielführend erwiesen hat, autorisierte der Sozial- und Gesundheitsausschuss des Kreistags in nichtöffentlicher Sitzung am 27. November 2023 die Verwaltung, die Förderanfrage beim Bund zurückzuziehen und in ein Förderverfahren mit dem Land einzusteigen.
Es gehöre zu den Schwerpunktsetzungen kommunaler Gleichstellungspolitik, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt wirkungsvoll zu bekämpfen und erforderliche Hilfe-, Beratungs- und Unterstützungsleistungen zu ermöglichen, unterstreicht die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Melitta Thies. Der Neubau eines Frauen- und Kinderschutzhauses in Ergänzung und Verzahnung mit den ambulanten Angeboten sei für den Landkreis Böblingen und seine Kooperationspartner ein Schlüsselbaustein in der Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, der sogenannten Istanbul-Konvention, auf lokaler Ebene. Ein Anliegen, das das Land unterstütze und auf diese gute Zusammenarbeit setze der Landkreis weiterhin.