Energiedrehscheibe Sindelfingen: Strom, Wärme und Biomethan aus lokaler Kreislaufwirtschaft

Wie die Energiewende im Landkreis Böblingen gelingen soll

Mehr Energiesicherheit und Klimaschutz durch lokale, regenerative Energien

Im Landkreis Böblingen entwickelt sich auf dem Feld der Energieversorgung eine zunehmende Dynamik weg von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien. Diese Entwicklung zur Treibhausgasreduzierung ist sowohl im Interesse des Klimas und der Umwelt als auch zum Vorteil der Verbraucher von Wärme und Strom. Über die aktuellen Pläne des Landkreises Böblingen, der Stadt Sindelfingen und der Stadtwerke Sindelfingen, die in verschiedenen Projekten miteinander kooperieren, berichteten am Montag, 22. Januar, Landrat Roland Bernhard und Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer gemeinsam mit Stadtwerke-Geschäftsführer Dr. Karl Peter Hoffmann, dem Ersten Werkleiter des Abfallwirtschaftsbetriebs Martin Wuttke, dem Geschäftsführer der Bioabfallverwertung GmbH Leonberg Wolfgang Bagin und dem Geschäftsführer der Naturstrom Landkreis Böblingen GmbH Wolfgang Hörmann auf der ehemaligen Kreismülldeponie Dachsklinge im Sindelfinger Wald.

Die vom Landkreis dort bereits betriebenen Einrichtungen und die bestehende Photovoltaikanlage der Stadtwerke Sindelfingen und des Landkreises sind Ausgangspunkt für die Realisierung einer "Energiedrehscheibe Sindelfingen Nord". Zu dieser sollen künftig eine Methanisierungsanlage, eine noch größere Photovoltaikanlage sowie ein Biomasseheizwerk gehören. Auch ein Teil der vom Sindelfinger Gemeinderat befürworteten Vorrangstandorte für Windkraftanlagen befindet sich im Umfeld der Dachsklinge und können dort in Zukunft die Energiedrehscheibe Sindelfingen Nord ergänzen.

Um die Realisierung eines wichtigen Bausteins der Energiedrehscheibe voranzutreiben, unterzeichneten Landrat Roland Bernhard, Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer und die weiteren Teilnehmer am 22. Januar gemeinsam eine Absichtserklärung. Sie ermöglicht den schnellen Bau der geplanten Methanisierungsanlage auf einer Teilfläche des heutigen Häckselplatzes.

Vergärungsanlage in Leonberg und Methanisierungsanlage in Sindelfingen

Der Ausgangspunkt für die enge Kooperation des Landkreises mit der Stadt Sindelfingen und ihren Stadtwerken liegt auf einer anderen ehemaligen Deponie in Leonberg. Dort errichten die Landkreise Böblingen und Esslingen über die gemeinsam getragene Bioabfallverwertung GmbH Leonberg die größte Vergärungsanlage in Baden-Württemberg. Der Biomüll aus den beiden Landkreisen wird in Leonberg behandelt, aus ihm wird Rohbiogas gewonnen. Die Anlage mit einer Gesamtkapazität von 72.000 Tonnen, davon 60.000 Tonnen Bioabfälle und 12.000 Tonnen Grünabfälle, soll im Herbst 2024 fertiggestellt werden und jährlich Rohbiogas mit einem Energiegehalt von rund 46.200 MWh erzeugen. Etwa 22 % dieses Rohbiogases werden für die Deckung des Strom- und Wärmebedarfs am Anlagenstandort mittels eines Blockheizkraftwerks direkt verwendet.

Der überwiegende Teil des gereinigten Biogases wird dann über eine neue Leitung zur ehemaligen Kreismülldeponie Dachsklinge in Sindelfingen geführt. Hier errichtet die Bioabfallverwertung GmbH Leonberg (BVL) auf einer Teilfläche des Häckselplatzes eine Methanisierungsanlage. Diese wird an die Biomethanverwertung GmbH Sindelfingen, eine gemeinsame Gesellschaft der BVL und der Stadtwerke Sindelfingen, verpachtet und betrieben. Das Rohgas wird in Biomethan verwandelt und das dabei entstehende CO<sub>2</sub> abgeschieden und verflüssigt. Das flüssige CO<sub>2</sub> in einer Größenordnung von rund 5.000 Tonnen pro Jahr wird an gewerbliche Nutzer für industrielle Zwecke verkauft. Das hochwertige Biomethan nutzen die Stadtwerke zur Erzeugung von Fernwärme und ersetzen damit fossiles Erdgas.

Die Vergärungs- und Methanisierungsanlage als interkommunales Projekt der beiden Landkreise Böblingen und Esslingen zusammen mit der Stadt Sindelfingen und den Stadtwerken Sindelfingen leisten zusammen einen bedeutenden Beitrag für den Klimaschutz im Landkreis: Der Betrieb der Anlagen spart jährlich ca. 12.300 Tonnen an Treibhausgasen ein. Die mit der Methanisierung verbundene CO<sub>2</sub>-Abtrennung und -Verflüssigung machen die Energiedrehscheibe Sindelfingen Nord außerdem zu einer echten CO<sub>2</sub>-Senke. Denn im Prozess wird mehr Kohlenstoff herausgefiltert als in die Atmosphäre ausgestoßen. Das ist ein lokaler Beitrag gegen die globale Klimaerwärmung.

Die gesamten Kosten für beide Anlagen einschließlich eines neuen Betriebsgebäudes belaufen sich voraussichtlich auf rund 47 Mio. Euro.

Photovoltaikanlage

Auch der Energiebedarf der Methanisierungsanlage in Sindelfingen wird nachhaltig gedeckt: Die bestehende Freiflächen-Photovoltaikanlage auf dem Südhang der Deponie wird derzeit um einen dritten Abschnitt erweitert. Die gesamte Photovoltaikanlage ist ein gemeinsames Projekt der Stadtwerke Sindelfingen mit dem Landkreis Böblingen, der für das Deponiegelände bestehende Pachtvertrag zwischen der Stadt Sindelfingen und dem Landkreis wurde im Hinblick auf die Photovoltaiknutzung ergänzt. Die bestehenden Photovoltaikanlagen der kreiseigenen Naturstrom GmbH und der Stadtwerke Sindelfingen haben zusammen eine Leistung von 1,5 MWp. Die dritte gemeinsame Anlage wird eine Leistung von rund 1,35 MWp erbringen. Zusammen handelt es sich damit um die größte Freiflächen- Photovoltaikanlage im Landkreis Böblingen. Mit ihr werden jährlich knapp 2,7 Millionen kWh Strom aus Sonnenenergie ins Netz eingespeist, damit können rund 1.000 Zwei-Personenhaushalte versorgt werden. Dies bedeutet eine Einsparung von rund 1.200 Tonnen CO<sub>2</sub> pro Jahr.

Biomasseheizwerk

Auf der an den Häckselplatz angrenzenden Fläche auf der Dachsklinge planen die Stadtwerke Sindelfingen die Errichtung eines Biomasseheizwerks mit einer Leistung von bis zu 20MWth, das mit emissionsarmen Energieträgern betrieben werden soll. Es kann optional um Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen erweitert werden. Die von der Anlage erzeugte Wärme soll ins Fernwärmenetz der Stadtwerke Sindelfingen eingespeist werden und wird voraussichtlich mindestens 5.000 Haushalte versorgen können.

„Deutschland hat erkannt, wie sehr es von ausländischem Gas abhängig ist. Wir müssen uns um die eigene Energiesicherheit selber kümmern. Dazu haben wir auf kommunaler Ebene viele Gestaltungsmöglichkeiten. Lokale, regenerative Energiegewinnung bedeutet mehr Sicherheit und mehr Klimaschutz. Mit unseren Projekten werden die Chancen für innovative Technologien bei der Bioabfallvergärung und insbesondere bei der Verwertung des Biogases durch Methanisierung und CO<sub>2</sub>-Verflüssigung optimal genutzt“, betont Landrat Roland Bernhard und freut sich besonders über die interkommunale Kooperation mit dem Landkreis Esslingen, der Stadt Sindelfingen und den Stadtwerken Sindelfingen.

„Um unsere Energieversorgung unabhängig von anderen Ländern zu machen, müssen wir die lokale Produktion von Energie ausweiten. Zur Erreichung der Klimaziele muss die Versorgungssicherheit mit einer klimafreundlichen Energieerzeugung einhergehen. Dafür braucht man geeignete Standorte, aber auch verfügbare Flächen. Der Bereich der ehemaligen Deponie Dachsklinge bietet beides. Als Eigentümerin der Flächen der Deponie Dachsklinge und des umliegenden Waldes treibt die Stadt Sindelfingen die Energiewende voran. Die Energiedrehscheibe Sindelfingen Nord bündelte mehrere wichtige Projekte, wie den Ausbau von Photovoltaik und den Bau einer Biogasaufbereitungsanlage und eines Biomasseheizwerks. So können mit der Energiedrehschiebe Nord bis zu 64.000 Tonnen CO<sub>2</sub> eingespart werden. Die Energiedrehscheibe Nord ist damit ein Leuchtturmprojekt für die Sindelfinger Energiewende.

Auch der Sindelfinger Stadtwald hat wichtige Funktionen für den Klimaschutz und die dringend notwendige Klimafolgenanpassung, aber auch für die Erholung unserer Bürgerinnen und Bürger. Daher achten wir darauf, dass wir bei der Entwicklung solcher Projekte mit Augenmaß handeln und mit unserem Wald verantwortungsvoll umgehen", so Sindelfingens Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer, der zugleich als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Sindelfingen GmbH, die Projekte mit vorantreibt.

„Wir freuen uns, dass wir im Bereich der Dachsklinge Energiedrehscheibe Sindelfingen Nord gemeinsam mit unseren Partnern einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, zur Erhöhung der Versorgungssicherheit und zur Standortsicherung in unserer Stadt leisten können. Die heutige Unterzeichnung der Absichtserklärung ermöglicht uns die zügige Verwirklichung der Methanisierungsanlage und damit eines wichtigen Bausteins der Energiedrehscheibe Sindelfingen Nord", sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke Sindelfingen, Dr. Karl Peter Hoffmann.

(Erstellt am 01. Februar 2024)

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